Medien berichteten unlängst über eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) vom 24. Mai 2023 über die Unwirksamkeit einer durchaus üblichen Wertsicherungsklausel in Mietverträgen (8 Ob 37/23h).
Nach Ansicht der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte hatten mehrere Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern einer der größten privaten Hausverwaltungen Österreichs gegen das Gesetz verstoßen.
Eine der unwirksamen Klauseln war eine Vereinbarung, dass der Hauptmietzins (nach dem Richtwertgesetz) nach dem Verbraucherpreisindex wertgesichert sein sollte.
Für die österreichischen Mieter und die Immobilienwirtschaft von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist die im „Verbandsprozess“ nun festgestellte Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel.
Da keine Erklärung des Vermieters vorlag, dass er innerhalb der ersten beiden Monate keine Wertsicherungsanpassung der Miete vornehmen werde, sei die gesamte Wertsicherungsvereinbarung unwirksam.
Der OGH begründet seine Entscheidung mit dem Verbot, dass bei einem Verbrauchergeschäft im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) gemäß § 6 Absatz 4 Z 4 KSchG innerhalb von 2 Monaten gegenüber einem Verbraucher-Mieter keine Entgeltanhebung verlangt werden dürfe. Das sei aber aufgrund der konkret vereinbarten Wertsicherungsklausel möglich. Die gesamte Klausel sei daher unwirksam.
(Anmerkung: Anderes kann nach dieser gesetzlichen Bestimmung gelten, wenn der Unternehmer beweisen kann, dass die Wertsicherungsklausel im einzelnen ausgehandelt wurde. Dies wird in aller Regel bei einer Verwendung von vorgedruckten Musterverträgen schwierig. )
Was bedeutet das in der Praxis?
1. Welche Verträge betrifft diese Gerichtsentscheidung?
Hauptsächlich betrifft diese Entscheidung Mietverträge zwischen Vermietern, die Unternehmer sind, und Mietern die Verbraucher sind.
Zu berücksichtigen ist, dass auch Unternehmer, die ein Mietobjekt zu Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit anmieten, noch als Verbraucher anzusehen sind.
Wohnungseigentümer, die in der Regel weniger als 5 Wohnungen vermieten, gelten üblicherweise als Verbraucher, sodass sie bei einer Vermietung einer Wohnung kaum mit Problemen rechnen dürfen.
2. In welcher Höhe kann irrtümlich bezahlte Miete zurückverlangt werden?
Die Gerichtsentscheidung erging in einem sogenannten Verbandsprozess. Das bedeutet, dass die Wertsicherungsklausel durch die in solchen Verfahren kunden- (bzw. Mieter-) feindlichste Auslegung so zu verstehen ist, dass Vermieter auch in den ersten beiden Monaten eine höhere Miete als bei Mietvertragsbeginn verlangen können.
Ob der OGH auch einem Individualverfahren zwischen Vermieter und Mieter dieser Auslegung folgen wird, wird noch abzuwarten (oder aktiv durch Überprüfung seines Mietvertrages bei Gericht/Schlichtungsstelle) zu betreiben sein.
Nach den Berichten in den Medien werden derzeit einige Musterprozesse geführt.
Es ist anzunehmen, dass im Lauf des Jahres 2024 eine klärende Entscheidung folgen wird.
3. Bis zu welchem Zeitpunkt in die Vergangenheit kann irrtümlich bezahlte Miete zurückverlangt werden?
Laut Medienberichten soll noch nicht klar sein , ob eine zu hohe Miete bis zu 30 Jahren, oder doch nur bis zu 3 Jahre rückwirkend zurückverlangt werden kann.
In einer Gerichtsentscheidung aus dem Jahr 2013 (4. 3. 2013, 8 Ob 12/13t) erkannte der Oberste Gerichtshof, dass nicht nur im Bereich des Mietrechtsgesetzes, sondern auch im Bereich des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und auch bei Mietverhältnissen, die nur dem Teilbereich oder sogar dem Vollausnahmebereich des Mietrechtsgesetzes unterliegen, die 3-jährige Verjährungsfrist zum Tragen kommt.
Wirtschaftlich viel bedeutsamer als die Rückforderung für 3 Jahre rückwirkend wird aber mA sein, ob bei unbefristeten Verträgen Mieter bis in alle Zukunft (bis zum Ende des Mietverhältnisses) bloß den Hauptmietzins bezahlen müssen, der zu Beginn des Mietverhältnisses vereinbart wurde.
Meiner persönliche Auffassung nach wird eine derartige Konsequenz durch den Obersten Gerichtshof bei seiner künftigen Entscheidung berücksichtigt werden (müssen).
4. Welche Maßnahmen sollten Vermieter und Mieter setzen?
Vermietern kann man derzeit nur anraten, ihre Wertsicherungsvereinbarungen in Musterverträgen zu überprüfen oder von Rechtskundigen überprüfen zu lassen, und die Verträge im Hinblick auf diese OGH-Entscheidung bei Neuvermietungen anzupassen.
Mietern wird man im Einzelfall nur empfehlen können, rasch überprüfen zu lassen, ob bei einer Abwägung ihrer Interessen, ihrer voraussichtlichen Lebensplanung und dem Kostenrisiko eine Klage (im Teilanwendungs- bzw. Vollausnahmebereich des MRG) bzw. eine Überprüfungsantrag bei Schlichtungsstelle/Bezirksgericht eingebracht werden sollte.
Labels: Klage, Mietzinsrückforderung, Mietzinsvereinbarung, Rechtsanwalt, Schlichtungsstelle, Wertsicherungsklausel
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